Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Warum Mitarbeitermotivation nicht nur vergeblich, sondern schädlich ist

Obiges Sprichwort soll aus Sambia stammen. Genaueres weiß man nicht, außer, dass es stimmt – im botanischen Sinne ebenso wie übertragen auf den Umgang von Führungskräften mit ihren Mitarbeitern.

Die Führungskraft ist quasi der Gärtner in seinem Mitarbeiter-Biotop. Wollen wir schnellere, bessere, stärkere Pflanzen haben, bringen wir Dünger aus. Analog dazu sind die „Güllespritzen“ der Arbeitswelt mit Boni, Incentives und Benefits gefüllt. Ihr erstrebtes Ergebnis: Motivation in voller Blüte. Warum nur haftet dem Ganzen ein so unangenehmer Geruch an?

Ein Blick in den Duden hilft uns bei der Definition von Motivation: „Gesamtheit der Beweggründe, Einflüsse, die […] zu einer Handlungsweise anregen“. Die gewünschte Handlungsweise im Geschäftsleben dürfte verallgemeinert heißen: Konstant hervorragende Arbeitsergebnisse im Sinne unserer Unternehmung.

Erinnern Sie sich daran, wie Sie zum letzten Mal einen neuen Job begonnen haben? Wie viel Motivierung von außen hatten Sie da nötig? Haben Sie damals gedacht: „Eigentlich habe ich keinen Bock auf diese Arbeit, aber es gibt einen Obstkorb und der Bonus ist gut“? Motivation ist, die von Bedürfnissen produzierte Energie, die sich auf ein Ziel hin richtet. Werfen wir einen Blick auf Maslows altbekannte Bedürfnispyramide:

Nach Maslow streben wir Menschen nach all diesen Bedürfnisgruppen. Ist ein Bedürfnis befriedigt, erwacht die nächste Stufe. Um tiefgreifende Zufriedenheit zu spüren, müssen alle Bedürfnisse dem individuellen Drang nach erfüllt sein. Die beiden unteren Bedürfnisstufen sind mit monetären Reizen durchaus zu befriedigen. Wertschätzung und Erfolg mit finanzieller Zuwendung auszudrücken lasse ich mir zähneknirschend auch noch gefallen, aber Zugehörigkeit und Intimität? Selbstverwirklichung? Da fallen mir spontan einige Bekannte ein, die in ihrer Freizeit lukrative kleine Unternehmen hochgezogen haben, mit denen sie sich heute in Vollzeit beschäftigen. So sehr mich das für die einzelnen Personen freut – Sinn der gezahlten Boni war das sicher nicht.

Und was ist mit Vertrauen? Haben Sie sich die Standardformulierung zu Gratifikationen wie Weihnachtsgeldern einmal auf der Zunge zergehen lassen? Da verschwimmen gerne Dank und Drohung. Was ist mit Unabhängigkeit und Freiheit? Auch hier fallen mir Beispiele von Personen ein, die ihre Kündigungen genau mit den Fristen für etwaige Bonuszahlungen abpassten und die zu überbrückende Zeit in innerer Kündigung verharrten.

Innere Kündigung – der Super-GAU in Sachen Mitarbeiterführung – paradoxerweise ein oft gesehenes Ergebnis falsch verstandener Motivierungsversuche. Denn extrinsische Motivierung kann intrinsische Motivation niemals ersetzen, sondern allenfalls ergänzen oder leider gar zerstören, wie unter anderem Deci und Ryan schon in den frühen 90ern bewiesen haben. In einer Reihe von Studien wurde damals dargelegt, dass die intrinsische Motivation abnimmt, je mehr Belohnung oder Bestrafung von außen eingesetzt wird. Es sei denn – und hier kommt der springende Punkt – die innere Überzeugung stimmte mit dem geforderten Verhalten überein. Dann verpufft der äußere Reiz einfach. Das heißt, die Motivation des Einzelnen, das was ein jeder von uns ganz individuell will, entscheidet und in Anspruch nimmt ist intrinsisch, also von innen heraus wirksam.

Sehr wohl ist es möglich, einen Menschen durch extrinsische Motivation zu etwas zu bewegen, was er oder sie ansonsten nicht wollen würde. Wir können überzeugt werden, härter zu arbeiten als unsere angeborene Leistungsfreude vorgibt und unsere Familien oder unsere persönliche Balance außer Acht zu lassen. Wir können verführt werden, unsere innersten Überzeugungen auf Eis zu legen und uns für Themen, Produkte oder Dienstleistungen stark machen, die uns eigentlich widerstreben. All das kann extrinsische Motivation leisten. Aber was dann? Der Trick ist bekannt. Der Bauer hängt seinem Maulesel eine saftige Möhre an einer Angel vor die Augen und siehe da: Der Maulesel nimmt Geschwindigkeit auf. Wenn überhaupt, dann aber nicht lange und sicher kein zweites Mal. Der Esel lernt. Was schon bei Eseln nicht hilft soll aber bei Mitarbeitern helfen? Nicht einfach, da motiviert zu bleiben.

Wissen Sie was passiert, wenn wir Pflanzen überdüngen? Ihre Blätter werden braun, der Ertrag sinkt und die Böden werden nachhaltig vergiftet. Und haben sie mal versucht, einer Blume Dünger zu verabreichen, statt ihr einen Platz an der Sonne zu gewähren? Genauso ist es mit Mitarbeitern im Unternehmen. Sie können als Führungskraft lobhudeln, Boni auszahlen, mit Sanktionen drohen, Kicker aufstellen, Obstkörbe ordern so viel Sie wollen. Nur wird Ihnen das nicht die Mühe ersparen, sich mit der komplexen inneren Haltung Ihrer Mitarbeiter auseinanderzusetzen. Menschen reagieren nicht auf „wenn-dann“. Menschen sind, jeder für sich ein komplexes System voller herrlicher Widersprüche, dessen Reaktion nicht vorhersagbar ist.

Mitarbeiterleistung entsteht also nicht wie viele naiv glauben aus Motivation, weil die Führungskraft so toll motivieren kann, sondern es ist genau umgekehrt: Mitarbeitermotivation entsteht aus der Lust an Leistung! Diese nicht durch pro-aktive und unpersönliche Motivierungsattacken im Keim zu ersticken ist oftmals schon der erste Schritt in die richtige Richtung.

Es geht um eine Leistung die der Mitarbeiter selbstbestimmt aus eigenem Verständnis und in Übereinstimmung mit seinen Überzeugungen zeigt. Er oder sie will Erfolg haben, will anerkannt sein, will sich einbringen. Dazu braucht er Wissen und Können, damit ihm der Erfolg gelingt. Die Aufgabe der Führungskraft ist also ihm dieses Wissen zugänglich zu machen – wie auch immer. Ihre Aufgabe ist es ein soziales Umfeld zu schaffen in dem es Freude macht, dabei zu sein. Es braucht die ehrliche Anerkennung für erfolgreiches Tun. Es braucht Freiraum und Vertrauen für persönliche Entfaltung. Es braucht das Wissen darum, Teil von etwas Größerem zu sein, um sich mit Hingabe den Aufgaben zu widmen und an ihnen wachsen zu können – weder unter- noch überfordert.

Wer versucht, das Gras zu durch Ziehen zu verlängern, hat es schnell ausgerissen. Mitarbeiter wachsen nicht dadurch das man sie motiviert, sondern sie wachsen auf dem Boden von Vertrauen, Wissen, Können und Dürfen, indem das Tun erfolgreich ist und Freude macht. Einen solchen Garten anzulegen, in dem all dies möglich ist – das ist in unseren Augen die Aufgabe der Führungskraft. Das ist nicht leicht. Hat aber auch keiner behauptet.