Talent + Succession Management
oder wer kauft denn schon im April die Weihnachtsgeschenke??
Was macht eigentlich eine wahrhaft visionäre Führungskraft aus? Wahrscheinlich denken auch Sie jetzt an Purpose, Strategien und wunderschöne Powerpoint-Folien. Wir nicht. In unseren Augen ist eine Führungskraft visionär, also in besonderem Maße vorausschauend, wenn sie für alle spürbar in der Lage ist, über den aktuellen Status Quo hinauszudenken und hiermit nicht einmal vor der eigenen Existenz Halt macht.
Vor einiger Zeit bat uns eine Managerin um unsere Begleitung mit den Worten: „Ich denke daran, mich in gut fünf Jahren zur Ruhe zu setzen und möchte mein Team bis dahin noch stärker auf eigenen Beinen stehen sehen.“ Aussagen dieser Art haben Seltenheitswert. Wie oft kommen Renteneintritt oder Kündigung einer Führungskraft plötzlich und unerwartet? Genau wie Weihnachten. Jedes Mal aufs Neue. Und genau wie zu Weihnachten verfällt jeder mit Verantwortung auf Knopfdruck in operative Hektik. Es freuen sich Einzelhändler und Headhunter. Letzterer berechnet 25-35% des Jahresgehaltes der neugefundenen Führungskraft, was bei nahhaltig erfolgreicher Besetzung sicher eine gerechte Investition ist. Wissen Sie, was Sie mit einem Drittel Jahresgehalt noch machen könnten? Bitte, hören Sie auf, im Geiste Urlaubsprospekte durchzublättern. Wir meinen wiedermal etwas ganz anderes: Talent + Succession Management. Oder zu Altdeutsch: Führungsnachwuchsplanung.
Dabei geht es natürlich in erster Linie nicht darum, sich den Headhunter zu sparen (oder die oftmals nicht einmal wirklich geringeren Kosten für DIY-Recruiting), es geht auch nicht nur darum, sich den Frust zu ersparen, in sechs Monaten Probezeit festzustellen, dass man dem Kandidaten im Vorstellungsprozess leider doch nur vor den Kopf geguckt hat. Ein gutes Talent + Succession Management schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe:
Erstens halten Sie die unausweichliche Motivationsdelle gering, die Veränderungsprozessen nun einmal innewohnt. Die kriegen Sie übrigens auch, wenn der Abgang der Führungskraft vom Team als Segen empfunden werden sollte. Vor einiger Zeit haben wir einen eigenen Artikel zum Thema Change verfasst, den wir Ihnen an der Stelle gern nochmals ans Herz legen. Kurz zusammengefasst für diesen Zusammenhang: Wenn eine Person – Führungs- oder sonstige Kraft – die Gruppe verlässt, startet ein neuer gruppendynamischer Prozess. Das bedeutet, ihr Team läuft zwangsweise durch die Phasen der Teambildung, die Bruce Tuckman so wunderbar beschrieben hat: Forming (vorsichtiges Beschnuppern im neuen Setting) – Storming (verdeckte oder offene Auseinandersetzung darum, wer im neuen Setting was zu sagen hat) – Norming (explizite und implizite Vereinbarung gemeinsamer Do’s + Don’ts) – Performing (endlich dann die Phase der Produktivität). Wie alle wichtigen Prozesse, lässt sich auch dieser leider nicht on hold setzen. Er startet spätestens, wenn Ihre ehemalige Führungskraft weg ist und in vielen Fällen schon davor, weil sich das soziale Machtgefüge des Teams ändert, ob wir das wollen oder nicht. Es wartet also niemand darauf, dass die Stelle neu besetzt ist, bevor sich ein neues Gleichgewicht bildet. Und wenn Sie dann Ihre neue Führungskraft gefunden haben – tätärätää – geht dasselbe von vorne los. Da hilft es leider gar nichts, dass die neue Person im Team dem Team hierarchisch „vorgesetzt“ wird, denn die einfache Tatsache, dass ein Mensch „Chef“ auf dem Kaffeebecher stehen hat, genügt schon seit den 50er Jahren nicht mehr für Bedingungslosen Gehorsam. In Generation Z reicht es nicht mal mehr für ein müdes Augenrollen.
Den gruppendynamischen Super-GAU bekommen Sie dann, wenn Sie sich möglichst viel Zeit zwischen Abgang und Neuzugang lassen, aber schon gleich zu Beginn deutlich machen, dass Sie keinem der verbliebenen Teammitglieder die Führungsrolle auch nur interimsweise zutrauen, sondern an die Selbstorganisierungskräfte des Teams appellieren. So etwas nennen wir ein Führungsvakuum. Ein Zustand, der für die meisten Menschen schwer zu ertragen ist. Wenn Sie wissen möchten, wie sich das am eigenen Leib anfühlt, empfehlen wir Ihnen den Besuch unseres Seminars Leading Cooperation – Wirksam zusammenarbeiten. Spoiler Alert: Dort lernen Sie auch, wie Sie ein solches Führungsvakuum auflösen können.
Die zweite Fliege, die der Klappe Talent + Succession Management zum Opfer fällt ergibt sich aus dem, was viele als das Hauptproblem anführen, wenn es um die strukturierte Ausbildung von Führungsnachwuchs geht. Nämlich: Was bitte mache ich mit all meinen top-ausgebildeten Führungsnachwuchskräften, wenn es wider Erwarten doch keine Führungsstellen zu besetzen gibt!? Dann sitzen die da! Wollen mehr Geld! Und Mitarbeiter führen. Müssen wir dann die Organisation umbauen? Mehr Führungspositionen schaffen? Führungskräfte, die Führungskräfte führen? Wer macht dann die eigentliche Arbeit? Und haben wir dann bald einen Stamm voller Indianerhäuptlinge und nicht einen Indianer mehr ohne Federschmuck bis zum Boden? Nee, das ist doch Quatsch.
Natürlich ist das Quatsch. Im Jahr 2023 ist es aber ebensolcher Quatsch, das Wort Karriere allein mit Führungsverantwortung zu übersetzen. Uns steht ein enormer Fachkräftemangel ins Haus. Die Zeiten, in denen Fachkräfte nur Fachkräftetrainings machen sollten und Führungskräfte Führungstrainings, die sind vorbei. Was wir in diesen komplexen Zeiten brauchen, das sind Menschen, die in der Lage sind, in schwierigen Situationen gute Entscheidungen zu treffen, die tragfähige Beziehungen über weite Entfernungen aufbauen können, die bereit und fähig sind, mit einer großen Anzahl wechselnder Personen gemeinsam zu nachhaltigen Lösungen zu finden. Wir brauchen Menschen, die Risiken eingehen können, die Risiken tragen können, denn wir steuern auf riskante Zeiten zu. Nicht nur in den Chef-Sesseln, sondern auf jedem noch so provisorischen Home-Office-Küchenstuhl. Das, liebe Chefs, wäre eure Aufgabe.
Diese Aufgabe ist groß und sie lässt sich nicht (Entschuldigung, liebe Kollegen) durch ein bisschen New Work-Bla-Bla bewältigen. „Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital!“ Welche Firma hat sich diesen Slogan denn nicht auf die Fahne geschrieben? Was wir uns wünschen (natürlich nicht ganz uneigennützig, aber sei’s drum) ist mehr Investition in dieses Kapital. Strukturierte Investition. Talent + Succession Management bedeutet nicht, den Mitarbeitern, die von ihren Führungskräften für fähig gehalten werden, einen frei verfügbaren Seminar-Etat zur Verfügung zu stellen oder sie das 28. Zertifikat zum Thema XY erwerben zu lassen. Mitarbeiterbindung heißt übrigens auch nicht, für eben diese Maßnahmen eine Rückzahlungsvereinbarung zu schließen, sollte der:die Betreffende das Unternehmen verlassen wollen.
Wie wäre es stattdessen mit einem internen Excellence Programm? Holen Sie Ihre Top-Leute zusammen, die, auf die Sie bauen. Sorgen Sie für Austausch, für Zusammenhalt, für Entwicklung – und zwar für fachliche UND persönliche Entwicklung. Personal Mastery nennen wir das in Anlehnung an Peter Senge. Geben Sie dem Ganzen einen zeitlichen Rahmen, drei Jahre zum Beispiel. Angehende Führungskräfte erhalten Input zum Thema Führen, Projektmanager zum Thema Projekte Managen, Software-Entwickler zum Entwickeln von Software (da kennen wir uns jetzt nicht aus) und alle zusammen werden weitergebildet zum Thema Verantwortung tragen können. Um Ersteres und um Letzteres kümmern wir uns gern mit Ihnen zusammen.