Wann ist das Team ein Team?

oder: Warum erfolgreiche Teamarbeit mehr ist als bloß Einstellungssache

Ein Problem muss gelöst werden. In der Annahme das acht Hirne gemeinsam zu einem besseren Ergebnis kommen als ein Hirn, beschließt die Führungsebene ein neues Team zusammenzustellen. Böse Zungen mögen sagen: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis.“ Ob zynisches Schmunzeln an dieser Stelle gerechtfertigt ist, hängt von zwei Faktoren ab:

  1. Handelt es sich wirklich um ein zu lösendes Problem oder hat hier nur jemand keine Lust oder keinen Mut, eine Entscheidung zu treffen?
  2. Verfügen die zusammengerufenen Personen über die benötigten Fähigkeiten, um das Problem überhaupt lösen zu können?

Wenn Sie uns kennen, dann wissen Sie, dass für uns die Frage nach der Fähigkeit mindestens dreimal beantwortet werden muss. Es gibt die sachliche, fachliche Fähigkeit. Verfügen die Personen im Team über das nötige Wissen und die nötigen Fertigkeiten? Dann gibt es die prozessuale Antwort. Verfügen die Personen im Team über die benötigten Ressourcen und Tools, Zeit, Raum, Methodenkompetenz und Kommunikationsmittel? Und zuletzt ist da natürlich auch die soziale Fähigkeit zur Teamarbeit. Wollen die Personen überhaupt zu einer gemeinsamen Lösung kommen?

Erfahrene Mitarbeiter:innen, alle Experten aus unterschiedlichen problemrelevanten Wissensgebieten (► Ebene 1) finden sich zu einem Meeting zusammen (► Ebene 2). Sie treffen sich in dieser Zusammensetzung das erste Mal, also machen sie eine Vorstellungsrunde (► Ebene 3). Die Führungskraft adressiert das Problem und die Gruppe macht sich an die Arbeit. Jede einzelne Person setzt sich entsprechend ihres Wissensgebiets lösungsorientiert ein. Es wird heiß diskutiert, Ideen kommen auf, werden jongliert, auf Herz und Nieren geprüft, um die beste, nachhaltigste Lösung zu finden. Alle sind hoch motiviert, kritikfähig und bereit, den Hals über den eigenen Tellerrand hinaus zu recken. Die mathematische Darstellung dieser Arbeitsweise lautet ∑(x,y)>x+y oder auch 2+2=7.

Klingt zu schön um wahr zu sein? Ist es auch, denn bevor ein Team zu wirklich fruchtbarer Zusammenarbeit kommen kann, muss es die Entwicklungsstadien durchlaufen, die der US-Psychologe Bruce Tuckman bereits 1965 beschrieben und in seinem Phasenmodell der Teamentwicklung zusammengestellt hat. (Sie lesen richtig: 1965. Und ja, das gilt immer noch. Egal, ob virtuell oder physisch, klassisch oder agil. Der Mensch bleibt Mensch.)

Phase 1: Forming – die Einstiegs- und Findungsphase (Kontakt)

Die Forming-Phase ist der Startpunkt, wenn ein Team erstmalig zusammenkommt oder, wenn sich etwas gravierend im Team verändert hat. Teammitglieder sind in dieser Phase höflich und vorsichtig miteinander. Es geht darum, sich zu beschnuppern, einzuschätzen, mit wem man es zu tun hat. Als soziale Wesen sind wir auf Zugehörigkeit angewiesen. Es ist nicht nur Mittel zum Zweck (hervorragende Lösungen generieren), sondern ein angeborenes Bedürfnis. Die Beziehungen der Teammitglieder untereinander sind noch unklar. Sie beschäftigen sich nicht mit Lösungsalternativen, sondern mit Zielen, Rollen und allem, was soziale Sicherheit geben kann. Sie erzählen, wie wichtig und tüchtig sie sind und setzen damit ihre „Duftmarken“. Sie versuchen die anderen in der Gruppe einzuordnen und bilden Vorurteile (Wer könnte mir gefährlich werden, mit wem könnte ich kooperieren, wen finde ich sympathisch/unsympathisch?) – teils bewusst, teils unbewusst. Jeder ist in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Je mehr Personen die Gruppe umfasst desto länger dauert dieser Prozess. Für Problemlösungsprozesse ist schlicht kein Platz, obwohl an der Oberfläche natürlich die Problemstellung diskutiert wird. Unter diesem oberflächlichen Thema liegt ein anderes: Ich. Man könnte auch diese Arbeitsweise mit einer Gleichung darstellen: ∑(x,y)<x+y oder auch 2+2=1. Es entsteht nicht nichts, aber sicher nichts Neues. Gern beschäftigen wir uns gerade am Anfang der Zusammenarbeit mit den sogenannten „Low hanging fruits“ und das ist auch sinnvoll. Für Anspruchsvolleres fehlt es an der gemeinsamen Basis. Wenn allerdings schnell Ergebnisse geliefert werden müssen, haben wir ein Problem. Oft empfehlen wir neuen Führungskräften, zunächst einmal mit ihrer Mannschaft in Klausur zu gehen, das Tempo aus dem Operativen herauszunehmen und auf das reine soziale Teambuilding zu legen. Das Schlimmste, was die Führungskraft unserer Erfahrung nach tun kann, ist, Druck auf die Sachebene zu geben, alle Diskussionen zu dominieren und schnelle Entscheidungen ohne besondere Berücksichtigung der Einzelnen zu treffen. Dies ist die schnellste Art, das anfängliche Engagement und jede Kreativität im Team abzutöten. Es geht in dieser Phase darum, für Kontakt zu sorgen, damit sich die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes aneinander gewöhnen können, damit sie sich einschätzen lernen und Vertrauen bilden können, welches sie in der nächsten Phase dringend brauchen werden.

Phase 2: Storming – die Auseinandersetzungs- und Streitphase (Konflikt)

Das erklär mir mal einer: Es ging so gut los. Alle haben sich vorgestellt und mit Feuereifer diskutiert und dann, ganz plötzlich lässt die Disziplin zu wünschen übrig. Da werden auf einmal Linientätigkeiten den Projektterminen vorgezogen. Im virtuellen Meeting funktionieren auf wundersame Weise immer weniger Kameras. Man sieht die immer selben Kollegen in der Kaffeeküche und wenn ein oder zwei ganz bestimmte Menschen hinzukommen, verebbt das Gespräch.

Dies sind sichere Signale dafür, dass Sie in die zweite Gruppenphase eingetreten sind: das Storming. Wo Menschen zusammenkommen, da menschelt es. Die Teammitglieder werden unweigerlich Verhaltensweisen und Eigenarten aneinander entdecken, die ihnen auf den Keks gehen. Die Unzufriedenheit im Team wächst, der Motivationspegel sinkt. In der zweiten Phase kommt es häufig zu Unstimmigkeiten über Prioritätensetzungen, wenn die Teammitglieder zum Beispiel verschiedene Ziele verfolgen. Es kommt zu Auseinandersetzungen um die Führungsrolle und den Status in der Gruppe. In der ersten Phase ging es zunächst um das Grundbedürfnis Zugehörigkeit. Jetzt schlägt das Pendel in die andere Richtung. Es geht darum, den eigenen Platz zu finden, sich durchzusetzen, Allianzen einzugehen und Rivalitäten zu klären. Das ist das Thema unter dem Thema. An der Oberfläche wird darüber diskutiert, was bei der Problemstellung wichtig ist und wie eine Lösung aussehen könnte. Der Subtext vibriert: Wer hat recht?

Dadurch entstehen Spannungen zwischen den Teammitgliedern. Die Beziehungen sind eher konfliktbeladen im schlimmsten Fall sogar feindselig. In dieser Phase ist die Leistung der Gruppe gering. Als Gleichung könnte man das mit ∑(x,y)<0 oder auch 2+2=-2 bezeichnen, denn inhaltlich geht nichts voran, manchmal werden sogar erste Ergebnisse wieder über den Haufen geworfen – nicht, weil sie schlecht waren, sondern weil darum! Alle sind mit Rangplatzauseinandersetzungen beschäftigt meist, ohne das bewusst wahrzunehmen.

In dieser Phase geht ohne Führung nichts. Das gilt auch für selbstorganisierte Teams. Im schlimmsten Fall übernimmt niemand Führung. Dann bleibt das Team im Storming, bis es auseinanderfällt. Ein solcher Zustand ist tatsächlich gefährlich. Sowohl wirtschaftlich als auch im Sinne der Gesundheit. Der volkswirtschaftliche Schaden durch innere Kündigung wird in der Gallup Studie 2023 mit rund 135 Milliarden (!) Euro beziffert.

Etwas besser als der komplette Stillstand ist es, wenn sich eine (in-)formelle Führungsperson mit ihrer Lösung durchsetzt, während die anderen, den Einzug der Autokratie über sich ergehen lassen. Hier besteht zumindest die Chance, dass eine gute Lösung gefunden wird. Allerdings müssen Sie in dem Fall darauf hoffen, dass zufälligerweise der, der am lautesten schreit, auch wirklich der gescheiteste Mensch an Bord ist.

In diesem Fall wäre die Gleichung: ∑(x,y)≈x oder auch 2+2=ca. 2. Mit Sicherheit hätte man jetzt aber die gesamten Gehaltskosten der Arbeitsgruppe versenkt, eine Summe die in keiner Bilanz erscheint (Transaktionskosten).

Was also tun? Um den Prozess weiter zu bringen, braucht es Mut zur Auseinandersetzung. Die Führungskraft ist angehalten, schwelende Konflikte auf den Tisch zu bringen und für Klärung zu sorgen. Klärung, nicht Ruhe. „Jetzt gebt euch die Hand und seid freundlich zueinander“ funktioniert ja nicht einmal bei unseren Kindern nachhaltig. Die vorherrschenden Fragen sind: Woran bin ich? Was ist meine Rolle? Wofür gibt es hier Wertschätzung? Wer gehört dazu? Was wollen wir? Was darf ich? Aufgabe der Führungskraft ist es, zu ermöglichen, dass diese Fragen tatsächlich beantwortet werden und damit läutet sie die dritte Gruppenphase ein.

Phase 3: Norming – die Regelungs- und Übereinkommensphase (Kontrakt)

In dieser Phase beginnen die Teammitglieder, sich besser zu verstehen und gemeinsame Normen und Werte zu entwickeln. Mann könnte sie als den eigentlichen Geburtsprozess des Teams beschreiben, denn erst jetzt entsteht das so dringend benötigte Wir-Gefühl. Durch die Auseinandersetzung im Storming haben sich Verhaltensweisen, Arbeitsstile, Themen und Rollenmuster entwickelt, die für uns typisch sind. Die Motivation steigt wieder, denn den Beteiligten wird klar, dass sie die Kraft und Kompetenz besitzen, ihre Konflikte zu lösen und sich gemeinsam einem Ziel zu verschreiben. Wo es bisher eher um Durchsetzung individueller Bedürfnisse ging, bildet sich nun Commitment für die gemeinsame Sache. Als Gleichung könnten wir aufstellen: ∑(x,y)≥x+y oder auch 2+2=3. Es geht vorwärts, aber noch nicht so, wie es sollte und könnte.

Gern versuchen Teams und ihre Führungskräfte das Storming zu überspringen, indem sie schon im Kick-off Regeln der Zusammenarbeit aufstellen und abnicken lassen. Hierbei handelt es sich meist um Allgemeinplätze á la „Wir hören einander aufmerksam zu“, die einen ähnlichen Verbindlichkeitsfaktor aufweisen wie Neujahrsvorsätze. Auch wenn es niemandem Spaß bereiten dürfte, die Auseinandersetzung lässt sich nicht vermeiden, wenn Sie es bis zur Performance bringen wollen, denn erst durch den Streit und seine Lösung entsteht Vertrauen unter den Teammitgliedern. Sie beginnen, sich aufeinander zu verlassen, und es entsteht ein Gefühl der Sicherheit, denn sie haben genug Erfahrungen miteinander gemacht, um zu wissen, wie die einzelnen ticken, was sie können und wo sie ihre Schwächen haben – persönlich wie fachlich. Das Vertrauen fördert die Offenheit und den Austausch von Ideen, was die kreativen und produktiven Aspekte der Gruppenarbeit unterstützt. Es entstehen sozial akzeptierte Verhaltensnormen, welche die Interaktion innerhalb der Gruppe erleichtern. Diese Normen können formell oder informell sein, explizit formuliert oder implizit akzeptiert.

Die Unterscheidung von Storming und Norming fällt in der Realität häufig sehr schwer. Das liegt auch daran, dass der Übergang von einer einen zur anderen Phase nicht linear sondern bestenfalls slalomartig ist. Gruppen können zwischen diesen Phasen hin- und herschwanken. Ein sicheres Indiz dafür, dass Sie die Phase des Normings erreicht haben ist es, wenn in Ihrem Team Running Gags entstanden sind, über die tatsächlich alle herzlich lachen können. Im Storming geht da eher ein hämisches Grinsen durch die Runde. Im Norming ist klar, wie der Witz gemeint ist und es ist nicht mehr nötig, sich darüber zu echauffieren, denn es sind keine Statusauseinandersetzungen mehr an der Tagesordnung. Wie lange die Transition dauert, hängt von vielem ab: der Verschiedenheit im Team, den einzelnen Charakteren, dem Umgang mit Konflikten, dem Rückhalt in der Organisation, der Volatilität der Gesamtsituation, und, und, und.

Phase 4: Performing – die Arbeits- und Leistungsphase (Kooperation)

Was lange währt, wird endlich gut. So die Hoffnung. Nach ausgiebigem Beschnuppern, Bekämpfen und Beregeln kann schließlich gearbeitet werden. Natürlich wurde auch vorher schon gearbeitet. An dieser Stelle meinen wir echte, wirkungsvolle Zusammenarbeit. Davon kann erst dann gesprochen werden, wenn die Gemeinschaftsleistung die Summe der Einzelleistungen übersteigt: ∑(x,y)>x+y oder auch 2+2=7. Das sind sie, die vielbeschworenen Synergien. Erst jetzt lohnt sich das Meeting wirklich und ist eine sinnvolle Investition, weil erst jetzt alle Fähigkeiten des Teams nutzbar sind. Jetzt geht es nicht mehr nur oberflächlich um Inhalte, sondern tatsächlich um die Sache. Die Voraussetzung dafür sind die Regelvereinbarungen und die Beziehungsklärungen. Es gibt keine Notwendigkeit mehr, unterschwellige Themen zu vermeiden. Offenheit ist keine bloße Attitüde, sondern ein Kennzeichen der erreichten Beziehungsqualität.

In der Phase Performing pendelt sich die Leistung der Teammitglieder auf einer mehr oder weniger gleichbleibenden Ebene ein. Die ersten nachhaltigen Entscheidungen können getroffen werden. Das Team handelt geschlossen und orientiert sich an dem gemeinsamen Ziel. Es herrscht überwiegend eine Atmosphäre von Anerkennung, Akzeptanz und Wertschätzung. Die Teammitglieder arbeiten erfolgreich zusammen. Das Team geht offen miteinander um, klärt Beziehungen, gibt und erfragt Feedback, kooperiert und hilft sich gegenseitig. Aus diesem Grund läuft die Aufgabenbearbeitung erfolgreich. Der Grund für Feedback ist das ehrliche Interesse und der Wunsch, sich persönlich und als Team weiterzuentwickeln, während es zuvor eher der Absicherung diente. Im besten Fall arbeitet das Team synergetisch: jemand hat eine Lösungsidee und bringt damit jemand anderes auf eine neue Idee, die ergänzend wirkt. Es geht nicht mehr darum wer recht hat, sondern darum was richtig und nachhaltig sein könnte. Die Diskussionen nehmen ab und werden durch Dialoge ersetzt. Diskussion ist das Plädoyer für die eigene Meinung (Ich habe recht, weil …), der Dialog ist ein Forschungsprogramm für die Hintergründe der Meinung des anderen und deren Relevanz zur Problemlösung (Was du sagst ist interessant, weil … und regt mich an zu …)

Ente gut, alles gut? Leider nein. Die Performing Phase ist traurigerweise kein Dauerzustand, denn nichts ist so beständig wie der Wandel selbst. (Hat jemand mein Phrasenschwein gesehen?) Die Gruppenphasen wiederholen sich jedes Mal von vorne, wenn sich irgendetwas im Team verändert und die Gruppe durchläuft zwangsweise wieder diesen Prozess. Solche Veränderungen können alle Ebenen der Zusammenarbeit betreffen: das Ziel oder der Auftrag des Teams (Inhaltsebene), neue Tools oder Methoden ändern die Abläufe (Organisationsebene), Veränderungen in der Teamzusammensetzung (Beziehungsebene). Es kann sein, dass sich ein Teammitglied fachlich oder persönlich weiterentwickelt und daraus neue Ansprüche an den eigenen Status stellt. Manchmal genügt es schon, dass im Gemeinschaftsbüro die Sitzplätze verändert werden, um einen neuen Gruppenzyklus auszulösen. Bitte versuchen Sie als Führungskraft gar nicht erst, dies zu verhindern. Es wird Ihnen nicht gelingen. Und wenn doch, rufen Sie uns bitte umgehend an. Dann müssen wir reden. Das wahrscheinlichste Ergebnis, wenn Sie sich bemühen einen guten Status Quo koste es, was es wolle zu erhalten, ist ein Steckenbleiben in Phase 1 oder 2.

In unserer heutigen Arbeitswelt sind langlebige Teams natürlich eher die Seltenheit geworden. Viel häufiger arbeiten wir ganz oder zumindest zum Teil in zeitlich begrenzten Projekten. Diese haben noch eine weitere Phase.

Phase 5: Adjourning – die Auflösungsphase

Sie wurde durch Tuckman im Jahr 1977 in das Phasenmodell ergänzt. Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie ein langes Buch durchgelesen haben und ein wenig ungläubig auf die letzte Seite schauen? Je nachdem, wie Ihnen das Buch gefallen hat und in welchem Kontext Sie es gelesen haben, dürften sich Erleichterung, Wehmut, unwillkürliche Flashbacks der besten und schlechtesten Passagen, Erschöpfung, Tatendrang oder eine Mischung aus all diesem und mehr einstellen. So auch in der Adjourning-Phase. Im Gruppendynamik-Seminar, in dem die Teamphasen deutlich wie selten zu beobachten sind, ist das Eintreten in diese Phase unverkennbar. Relativ plötzlich ebben die zuvor noch regen Rückmeldungen und Gespräche ab. Es breitet sich Schweigen in der Gruppe aus, jedoch kein betretenes, sondern ein friedvolles Schweigen. Der Moment tritt ein, wenn alles gesagt worden ist, was gesagt werden wollte. Während die Teilnehmer kurz zuvor noch mit einander und der gemeinsamen Arbeit beschäftigt waren, kehrt die Aufmerksamkeit eines jedes nun zu sich selbst zurück. Im Fokus stehen dabei zwei Fragen: „Was war?“ und „Was kommt?“

In Projektorganisationen kennt man das Lessons-learnt-Meeting, im Agilen Setup Review und Retro. Alle drei Events sind Teil des Adjourning. Ziel ist es, die vergangene Arbeit Revue passieren zu lassen, Erfolge zu feiern und Lehren für die Zukunft abzuleiten. In der Realität werden gerade diese Meetings allerdings gern „geschlabbert“ und fallen dem Tagesgeschäft oder der nächsten Projektphase zum Opfer. Schade drum! Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe diesem auch Nachkontakt genannten Moment Aufmerksamkeit zu zollen, denn er hat großen Einfluss auf die weitere Arbeit Ihrer Organisation. In vielen Firmen werden Misserfolge eingehend untersucht und besprochen. Zu hoffe steht, dass es hierbei darum geht, gemeinsam zu lernen, nicht einen Schuldigen zu finden. Misserfolge zu feiern hat gerade Hochkonjunktur – Stichwort Fuck-up-Night. Wirkt vielleicht ein bisschen pubertär, hat aber durchaus seine Berechtigung. Rückschlägen eine Bühne zu bieten kann helfen, ähnliche Fehler an anderer Stelle zu vermeiden und fördert eine offene Fehlerkultur. Allerding setzen solche Veranstaltungen eine hohe Reife aller Beteiligten voraus.

Der Umgang mit Erfolgen ist in unserer Kultur leider weniger imposant. Nicht geschimpft ist gelobt genug, Exzellenz wird zur Kenntnis genommen, Erwartungen gesteigert – fertig – nächstes Projekt.

Die Verabschiedung muss eine Würdigung der Mitarbeitenden für ihre Leistung und ihr Engagement beinhalten. Das muss nichts Riesiges sein, auch wenn sich die meisten Teams über Prämien, Teamevents und Freigetränke freuen dürften. Manchmal reicht ein ehrliches Dankeschön und die Anerkennung durch Vorgesetzte, Kunden und Kollegen. So vertiefen sich die Gefühle, die gute Teamarbeit mit sich bringen: das Gefühl, etwas Größeres zu leisten und dazuzugehören. Das tut dem Selbstwertgefühl gut und befeuert die Motivation der Mitglieder, was sich wiederum positiv auf die zukünftige Arbeit auswirkt.

Wer um die Gruppenprozesse weiß gibt einem neuen Team die Zeit, die es braucht, um sich zu entwickeln, hält die dabei entstehenden Konflikte nicht nur aus, sondern packt sie an und ermöglicht so Wirksamkeit und Wachstum für das Team und jedes seiner Individuen.